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St. Raphael hilft Togo e.V. - Jahresbericht 1998

Liebe Togo-Freunde!

Es wird wieder einmal Zeit, dass Sie Neues aus Togo, Neues von unseren Freunden dort hören. Doch bevor ich von dem erzähle, was sie uns in ihren Briefen mitteilen bzw. was wir durch Herrn Moser, der Togo im vergangenen Herbst besuchte, gehört haben, einige grundsätzliche Erwägungen.

Gelegentlich begegnen wir der Redensart: Das geschieht auch nur alle Jubeljahre , oder: Alle Jubeljahre einmal kommt das vor. Wissen Sie, dass diese Aussage biblischen Ursprungs ist? Im Buch Levitikus lesen wir:

Erklärt das 50. Jahr für heilig! Ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes
aus! Es gelte euch als Jubeljahr. Jeder von euch soll zu seinem Grundbesitz
zurückkehren (Lev 25.10).

Die Tendenz des Textes wird aus den dann folgenden Versen klar: Im Interesse der gesamten Gesellschaft, für die eine Verarmung weiter Bevölkerungsschichten und die Konzentration des Besitzes in der Hand weniger Reichen gefährlich werden kann, gefährlich ist, sollten alle 50 Jahre Schulden erlassen und Schuldsklaven freigegeben werden. Die Kleinbauern sollten ihre Lebensgrundlagen zurückerhalten, d.h. sie sollten auf das Land, das sie vorher verpfändet hatten, zurückkehren. Dem Volk Israel sollte auf diese Weise - über alle ökonomischen Überlegungen hinaus - immer neu ins Bewusstsein gerufen werden: Alles, was ihr besitzt, ist letztlich Gottes Gabe, der euch das Land Kanaan geschenkt hat. Anders gesagt: Ihr sollt großzügig sein, weil ihr selbst Gottes Großmut erfahren habt.
An diese alte Tradition knüpft die deutsche Kampagne Erlassjahr 2000 - Entwicklung braucht Entschuldung an. Rund 70 kirchliche und entwicklungspolitische Organisationen, darunter Brot für die Welt , Misereor , Adveniat und missio , haben sich im vergangenen Jahr in Deutschland zusammengeschlossen, um einen Schuldenerlass für die armen Länder zu erwirken. Inzwischen haben sich andere Länder angeschlossen, so dass man von einer internationalen Kampagne sprechen kann.
Die Initiatoren dieser Kampagne knüpfen aber nicht nur an das biblische Vorbild an, sondern verweisen auf das Jahr 1953, als westeuropäische Staaten und die USA im Londoner Schuldenabkommen durch weitgehenden Schuldenerlass der Bundesrepublik das Übermaß der Schulden erließen, um damit einen Beitrag zur Entwicklung einer blühenden Völkergemeinschaft zu leisten, so im Schlusswort des Vertrags. Die verbleibenden Schulden waren abtragbar. Was wäre aus der Bundesrepublik geworden ohne diese Regelung?
Ähnliches haben die Initiatoren der Kampagne Erlassjahr 2000 vor Augen. Ihr Ziel ist neben der Entschuldung eine Neugestaltung der internationalen Finanzbeziehungen im Sinne eines fairen Interessenausgleichs zwischen Schuldnern und Gläubigern. Sie sind dabei durchaus nicht blauäugig, sondern binden den Schuldenerlass an die Bedingung, dass die Gelder, die die Staatskassen der Entwicklungsländer durch einen solchen Schuldenerlass einsparen, nicht der herrschenden Oberschicht, die keine Not leidet, zu gute kommen, vielmehr für bessere Lebensbedingungen der ärmsten Bevölkerungsschichten eingesetzt werden sollen, vor allem, um das Leben vieler Kinder zu retten und Mädchen und Frauen Zugang zur elementaren Bildung zu verschaffen.
Ich bin der Meinung, wir sollten die Bemühungen dieser Kampagne aufmerksam verfolgen und nach Möglichkeit unterstützen, jede und jeder in dem Maß und den Mitteln, die ihr / ihm zu Gebote stehen. Letztlich vertritt sie ein zutiefst christliches Anliegen. Ich fand ein Gebet, in dem dieses Anliegen knapp, aber treffend zum Ausdruck kommt:

Lebendiger Gott, du willst das Leben der Menschen, nicht ihren Tod. Du
willst ihre Freiheit, nicht ihre Unterdrückung. Du willst den Hunger stillen
und die Not der Armen wenden - auch durch uns. Begleite uns mit deinem
Segen, wenn wir in deinem Auftrag Leben schenken und Fesseln lösen.
Darum bitten wir durch Christus, der einer von uns geworden ist. Amen.

Doch nun zu unseren Freunden. Auch in diesem Jahr haben uns wieder zahlreiche Briefe aus Togo erreicht. Ihr gemeinsamer Grundton ist die Dankbarkeit all denen gegenüber, die sie unterstützen. Dieser Dank gilt Ihnen allen und soll deshalb am Anfang stehen. Was immer wieder in den Briefen deutlich wird: Unsere Freunde werden erwachsener, reifer, sehen mehr als bisher Zusammenhänge und wissen daher die Unterstützung durch uns zu schätzen, zumal die Not im Land wächst. So heißt es in einem Brief: Wir schlagen uns halt durch. Ohne eure Hilfe wüssten wir nicht, was aus uns werden sollte.
Von der Landespolitik war lange Zeit in den Briefen nicht die Rede. Erst Ende Juni wurde sie wieder thematisiert - nach der Präsidentschaftswahl. Zunächst lief diese gut an, die Hoffnung auf einen Demokratisierungsprozess wurde wieder wach. Aber: Eyadema blieb an der Macht, ohne dass ganz klar wurde, wie er die Wahl gewinnen konnte. Jetzt werden neue Auseinandersetzungen befürchtet. Uns bleibt nur zu hoffen und zu beten, dass Togo das Schicksal anderer afrikanischer Staaten erspart bleibt.

Doch hören Sie jetzt, was die einzelnen jungen Leute machen:

Thomas, der junge Mann mit Rollstuhl und Gehgestell, hat in Lomé seine Ausbildung im Bürowesen mit einem guten Examen abgeschlossen, war der Beste seines Jahrgangs. Die Aushändigung der Zeugnisse war - wie in Togo üblich - eine große Sache, fand in einem offiziellen Rahmen statt und wurde vom Fernsehen übertragen. Das ist die Glanzseite. Die andere: einen Praktikumsplatz gab es für Thomas trotz des guten Examens nicht. Dem Land fehlt es an Geld, um die nötigen Einrichtungen zu schaffen. Nur wer kapitalkräftig ist, kann durch Bestechung einen Praktikumsplatz, später eine Anstellung, bekommen. Für Thomas ist es mit seiner Behinderung doppelt schwer, etwas zu finden. Dennoch heißt es in einem seiner Briefe: Wir sind nicht tatenlos, sondern kämpfen, um unsere Situation zu verbessern.
Ähnlich wie ihm geht es Bertin . Ein gutes Examen im Zollwesen, aber keine Stelle. Er ist bereit, jede Art der Tätigkeit zu übernehmen, um das tägliche Brot zu verdienen. Gleichzeitig träumt er von der Hilfe, die aus Deutschland, von uns kommen könnte, Hilfen, die weit über unsere Kräfte gehen. Von solchen Traum-Vorstellungen war schon in der letzten Togo-Information die Rede. Aber wer kann es den jungen Leuten verdenken, dass sie träumen! Und wie schwer ist es, Träumer in die Realität zurückrufen zu müssen! Aber auch das ist eine notwendige und wichtige Arbeit und Aufgabe, die von Frau Dilger mit großem Einfühlungsvermögen und der notwendigen Konsequenz wahrgenommen wird.
Von Nicolas, unserem Informatiker, haben wir im letzten Brief berichtet, dass er zusammen mit seinem Bruder eine Art Beratungsbüro für junge Unternehmer gründen wollte. Daraus ist nichts geworden, da der Bruder eine Stelle in einer Schule für Betriebswirtschaft erhalten hat.
Inzwischen haben sich Nicolas, Thomas und Romain , der ebenfalls nach seiner Ausbildung keinen Arbeitsplatz gefunden hat, zusammengetan. Sie wollen ein Mini-Projekt starten - ein Computer-Büro. Dabei vertrauen sie darauf, dass sie durch gemeinsamen Einsatz und geschickte Arbeitsteilung alle drei Beschäftigung und Auskommen finden. Als ersten Schritt haben sie die Verbindung mit einer ONG (Nichtregierungsorganisation) aufgenommen und hoffen von dort auf Unterstützung für den Start. Hoffen wir mit ihnen! Es wäre bitter, wenn sie enttäuscht würden.
Henris Ausbildung als Automechaniker geht voran. Inzwischen hat auch ein mehr oder weniger systematischer theoretischer Unterricht an einem Technischen Gymnasium in Sokodé eingesetzt. In Kürze wird Henri den Führerschein machen, in Togo keineswegs eine Selbstverständlichkeit für einen Kfz-Mechaniker. Henri vermag die Hilfe, die er von uns bekommt, richtig einzuschätzen. In einem seiner Briefe sagt er es im Bild: Ihr habt uns keinen Fisch gegeben, sondern ihr habt uns Fischen gelehrt. Aber auch für ihn steht die Frage im Raum: Wird er das, was er lernt, jemals anwenden können?
Das ist auch die Frage, die für Léopold gilt. Er ist trotz Zusatzausbildung ohne Arbeitsplatz. Dabei hatte er so sehr, so fest auf eine Anstellung bei einem Technischen Gymnasium gehofft. Jetzt arbeitet er ohne Entgelt bei einer Firma, getragen von der festen Zuversicht, dass er auf diese Weise das Recht auf eine Stelle erwirbt. Im Augenblick leben er und seine Frau Geneviève von dem, was Geneviève durch Schneiderarbeiten verdient. Viel ist das nicht, da in der Notzeit das Geld für Kleidung fehlt. Eines aber haben sie erreicht: Durch die großzügige Spende eines Gönners konnten sie ihr Lehmhäuschen, bestehend aus zwei Zimmern, fast fertigstellen, zum Teil in Eigenarbeit. Sie freuen sich, wenn sie das eigene Heim beziehen können. Wir teilen ihre Freude.
Inzwischen haben wir Überlegungen angestellt, wie Léopold und Henri zu helfen ist. Diesmal sind wir es, die einen Traum für die Freunde hegen: wir hielten es für gut und sinnvoll, wenn in Sokodé eine Art Kfz-Werkstatt eingerichtet werden könnte, die die beiden gemeinsam betrieben. Beide haben einschlägige Ausbildungen. Wenn die Verhältnisse in Togo einigermaßen stabil bleiben, müsste ein solches Projekt - mit Ihrer aller Hilfe - zu realisieren sein.
Frau Ayéva war in diesem Jahr ziemlich schweigsam. Sie schreibt, dass die Arbeit in der Frauengruppe weiterläuft, nennt aber keine Einzelheiten. Die jüngste Tochter, Fatou, hat im Juni das Abitur bestanden und inzwischen eine Schneiderausbildung begonnen, nicht auf dem üblichen Weg über eine Lehre, sondern sie besucht eine Fachschule in Lomé. Die Ausbildung wird von uns gefördert. Dahinter steht die Zuversicht, dass auch für Togo bessere Zeiten kommen werden. Dann hat die gut ausgebildete Schneiderin, die gleichzeitig eine Art Designerin ist, bessere Chancen als eine Näherin. Diese Chance sollte für Fatou gesichert werden.
Schwierigkeiten gab es mit Kossi-Raphaël . Seine Pläne von einer Berufsausbildung waren völlig utopisch, Raphaël aber zunächst uneinsichtig, weil er seine eigene Situation als Diabetiker nicht einzuschätzen weiß. Mittlerweile scheint bei ihm einiges an Einsicht zu wachsen. Eventuell wird er eine Ausbildung als Töpfer beginnen.
Ermutigend ist dagegen das, was wir von Cosme und Robert hören, den beiden jungen Leuten, die Priester werden wollen und noch die Schule besuchen bzw. im Studium sind. Cosme berichtet von seinen Fortschritten in der Schule. Durch seine Leistungen möchte er all denen danken, die ihn unterstützen - finanziell und durch ihr Gebet. Robert erzählt von seinen Erfahrungen in einem pastoralen Praktikum während der Sommerferien, der Arbeit in einer Pfarrei mit 46 Außenstationen, für uns eine unvorstellbare Situation. Er betont, dass die pastorale Arbeit nur durch den gezielten Einsatz von Laien möglich ist. Den Rest seiner Ferien verbringt Robert bei seinen alten und kranken Eltern, die die harte Feldarbeit allein nicht mehr bewältigen können und froh sind, wenn der Sohn wenigstens einige Wochen im Jahr tatkräftig zugreift.
Unser Bäckermeister Corneille hat mit der wirtschaftlichen Lage zu kämpfen, um sein Geschäft auf feste Füße zu stellen. Der Chefsessel ist sehr hart , schreibt er. Ohne intensive Arbeit geht es nicht. So kommen wir eben über die Runden. Aber Rücklagen können wir nicht bilden. Trotz der starken Beanspruchung durch die Bäckerei und den Vertrieb von Backwaren kümmert sich Corneille vor Ort um unsere jungen Freunde, berät und ermutigt sie, stellt sie aber auch gelegentlich auf die Füße, wenn ihre Träume zu utopisch sind. Wir sind froh und dankbar, dass Corneille unsere Projekte in Sokodé im Auge hat und nicht nur die jungen Leute dort, sondern auch uns aus der detaillierten Kenntnis der Verhältnisse berät. Zur Seite steht ihm sein Bruder Camille. Die beiden ergänzen sich gegenseitig. Auch für uns ist Camille eine große Stütze, ein zuverlässiger Partner, dem wir dankbar sind.
Zum Schluss bleibt noch etwas zu sagen über Soeur Julie und ihr Kinderheim. Von der guten Arbeit, die dort geleistet wird, war in den letzten Informationen die Rede, hingewiesen war auch auf die Armut und die harten Lebensbedingungen dort. Die Hilfe, die Soeur Julie für die Ihren erfährt, lindert zunächst die tägliche Not. Darüber hinaus dienen die Spenden dazu, die verschiedenen Gebäudeteile vor dem Verfall zu retten bzw. sie zu sanieren. Es konnten Türen und Fenster eingesetzt, die Wände ausgebessert werden. Es geht darum, das wenige, das Schwestern und Kinder haben, so herzurichten, dass nicht alles in der jährlichen Regenzeit total zusammenbricht. Ferner konnten für einige Kinder Betten angeschafft werden. Corneille hält guten Kontakt mit Soeur Julie und war bei seinen Besuchen dort erneut von der herrschenden Not betroffen, hat aber auch den Fortgang der Sanierungsarbeiten beobachten können.
Auf einer Fahrt nach dem Süden des Landes machte Soeur Julie einen Gegenbesuch bei Corneille. Von diesem Besuch schreibt sie: Wir waren glücklich, ihn besuchen zu können und zu sehen, wo das gute Brot herkommt, von dem wir früher schon gegessen hatten ..... Von ganzem Herzen danken wir euch, liebe Freunde in Deutschland, für alles. Möge der Herr euch tausendfach mit seinen Gnaden überschütten. Wir beten für euch. Wir sind glücklich über euch.

Damit bin ich zum Ende gekommen. Den Dank unserer Freunde aus Togo habe ich Ihnen schon weitergegeben. Danken will ich aber auch Ihnen allen im Namen des Vereins St. Raphael hilft Togo . Wir wissen sehr gut: Ohne Ihre regelmäßige Unterstützung könnten wir gar nichts machen.
Frau Dilger und ich sind seit einem Jahr nicht mehr an den St. Raphael Schulen tätig. Aber die Togo-Initiative wird von uns weiterbetrieben. Ein Zeichen dafür sind diese Togo-Informationen. Direkte Ansprechpartner in der Schule sind Herr Dr. Kuhn und Herr Kiefer. Unsere ganz herzliche Bitte: Bleiben Sie Togo, unseren Freunden in Togo, treu. Was wir dort tun, ist sicher nichts Weltbewegendes, sondern es sind kleine Schritte, von denen ein afrikanisches Sprichwort sagt:

Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun,
können das Gesicht der Welt verändern, können nur gemeinsam das
Leben bestehen.


S. Roswitha Völzgen